Armut ist größtes Bildungsrisiko – Hilfen für Familien und Schulen müssen zielgerichteter werden

Pressedienst vom

„Armut ist eines der größten Hindernisse für gleichberechtigte Bildungs- und damit für die Zukunftschancen junger Menschen. Wir brauchen jetzt kurzfristig gezielte Unterstützungspakete, die vor Ort tatsächlich in den von Armut betroffenen Familien und in den Bildungseinrichtungen ankommen. Und wir müssen bildungs- und sozialpolitische Maßnahmen besser aufeinander abstimmen, um die Bildungschancen benachteiligter junger Menschen nachhaltig zu verbessern“, fordert Thomas Otto, Hauptgeschäftsführer der Arbeitskammer des Saarlandes, beim AK-Forum „Schulische Bildung und Teilhabe in schwierigen Zeiten“ am Montagabend in der Arbeitskammer. Gemeinsam mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – Saarland (GEW).

Mehr als jedes fünfte Kind und jede*r vierte junge Erwachsene gelten in Deutschland als armutsgefährdet. Im Saarland ist rund jedes vierte Kind von Armut bedroht, in städtischen Ballungsgebieten noch deutlich mehr – Tendenz steigend. Die aktuellen Preissteigerungen verschärfen die Situation abermals. Trotz Arbeit ist es auch für viele erwerbstätige Familien im Niedriglohnbereich am Ende des Monats mehr als knapp. Dann stellen Kosten für die Nachmittagsbetreuung, das Schulessen oder die Musikschule eine starke Belastung dar.

„Dieser erschreckende Befund macht sich auch in den Schulen bemerkbar“, erklärt Max Hewer, Landesvorsitzender der GEW Saar. „Gerade Schulen mit einem hohen Anteil soziale benachteiligter Schüler*innen sind zunehmend mit der Herausforderung konfrontiert, diesen Kindern und ihren Familien zu helfen, und stoßen selbst mit ihrer Erfahrung armutssensibler Pädagogik immer öfter an ihre Grenzen“, so Hewer.

AK und GEW kritisieren, dass das Ende 2021 mit Pomp angekündigte Startchancen-Programm der Ampel-Koalition, das für 4.000 Schulen ein eigenes Chancenbudget und für 8.000 Schulen zusätzliche Schulsozialarbeit bereitstellen sollte, auf 2024 vertagt wurde. „Nicht nur die Höhe der Gelder steht zur Diskussion, sondern auch die Verteilung“, kritisiert Hewer. „Bereits zwischen Bund und Ländern ist der Königsteiner Schlüssel zur Verteilung der Mittel kein geeigneter Maßstab, da er keinerlei sozioökonomische Faktoren berücksichtigt. Gemeinsam mit AK und weiteren Partnern wie der Landeselterninitiative für Bildung plädieren wir deshalb auch auf Landesebene seit Langem für die Einführung eines schulscharfen Sozialindex, um Personalressourcen und zusätzliche Schulbudgets bedarfsorientierter zu gewichten“, sagt Hewer.

Auch bei Sozialleistungen sehen AK und GEW großen Reformbedarf. „Im Zuge der Entlastungspakete wurden viele Sozialleistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag zwar erhöht. Doch bürokratische Hürden, fehlende Sprachkenntnisse und Scham verhindern, dass Unterstützungen bei einem Großteil der Bedürftigen ankommen“, sagt Thomas Otto. Und der Kindersofortzuschlag wurde durch die Inflation längst überholt. Auch das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) wird kritisiert, da die Mittel zu gering sind und viel Geld in der Bürokratie versandet. Otto: „Wir setzen uns daher für die möglichst rasche Einführung einer Kindergrundsicherung ein, die Kinder tatsächlich aus der Armut holt und bedarfsgerecht berechnet ist.“

Eine ressortübergreifende Gesamtstrategie ist notwendig, um Kinderarmut nachhaltig zu bekämpfen und Bildungschancen von benachteiligten jungen Menschen zu verbessern. „Dazu gehört auch eine bedarfsdeckende soziale Infrastruktur, wie eine Verstetigung der Gemeinwesenarbeit mit niedrigschwelligen Angeboten, die Weiterentwicklung von Kitas zu Familienzentren oder der Ausbau von pädagogisch hochwertigen Ganztagsangeboten“, erklärt Otto.

AK und GEW fordern zudem die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz: „Bildungs- und Sozialpolitik müssen die Bedürfnisse junger Menschen insbesondere in schwierigen Lebenslagen besser berücksichtigen. Ein verbindliches Signal in deren Richtung wäre es, starke Kinderrechte jetzt endlich im Grundgesetz zu verankern“, so Otto abschließend.

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