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Titelthema
„Wir wollen diese Transformation“
UMBAU Wie der Betriebsrat der SHS für den Erhalt der Stahlindustrie kämpft
! Mitbestimmung ist ein zentraler Aspekt, um zum Gelingen der Transfor- Töchtern Saarstahl und Dillinger
starten den Umbau hin zur grünen
mation beizutragen. Mitbestimmte Unternehmen wirtschaften nachhal-
tiger und die Transformation kann nur umgesetzt werden, wenn die Stahlproduktion. Bis 2030 sollen
Die SHS ist der Beschäftigten mitgenommen werden. Stephan Ahr, der Vorsitzende 55 Prozent CO eingespart wer-
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viertgrößte des Gesamtbetriebsrats der Saarstahl AG sowie des Konzernbetriebs- den, bis 2045 will der Konzern kli-
Stahlhersteller rats der SHS – Stahl-Holding-Saar, berichtet, wie die Belegschaft von maneutral sein und so 4,9 Millio-
in Deutschland der Notwendigkeit der Transformation der saarländischen Stahlproduk- nen Tonnen Stahl jährlich herstel-
und der größte tion hin zu CO2-neutralen Produktionsprozessen überzeugt wurde und len. 2028 soll die Produktion von
Arbeitgeber im warum sie heute noch überzeugt werden muss. CO -reduziertem Stahl in Dillingen
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Saarland. Der und Völklingen beginnen, in der
Konzern hat Von Simone Hien gen auf die Straße gingen“ und ersten Phase sind bis zu 3,5 Millio-
13.000 beim Stahlaktionstag 2023 waren nen Tonnen Rohstahl pro Jahr ge-
Beschäftigte, Es ist ein Resümée von Superlati- es 5.000 Menschen in Dillingen plant. Im ersten Schritt soll neben
macht einen ven, das Betriebsrat Stephan Ahr und rund 10.000 in Völklingen, die der bestehenden Hochofen-Route
Umsatz von zieht: Schon beim ersten Stahlak- sich für das Überleben der saarlän- an den Standorten Völklingen und
fünf Milliarden tionstag 2016 habe der 27-köpfige dischen Stahlindustrie einsetzten. Dillingen jeweils ein Elektro-Licht-
Euro im Jahr Betriebsrat von Saarstahl gemein- Flyer zu verteilen, die Kollegin- bogenofen sowie zusätzlich eine
und produziert sam mit der IG Metall erfolgreich nen und Kollegen im persönlichen Direkt-Reduktionsanlage zur Her-
fünf Millionen mobil gemacht und „rund 8.000 Gespräch und auf Betriebsver- stellung von Eisenschwamm auf
Tonnen Stahl bis 9.000 Menschen auf die Straße sammlungen zu informieren sei dem Werksgelände von Dillinger
pro Jahr. gebracht. Wir konnten die ge- wichtig. Aber fast noch wichtiger entstehen. Das Investitionsvolu-
samte Bevölkerung, auch den Fri- sei es, die Belegschaft auf die men beträgt über 3,5 Milliarden
seur, die Bäckerin und den Elektri- Straße zu bringen und Druck auf Euro. Im vergangenen Dezember
ker mitnehmen, weil jeder verstan- die Politik zu machen, weil sich kam der Förderbescheid in Höhe
den hat, wenn die Stahlindustrie sonst nichts bewege. Außerdem von 2,6 Milliarden (rund 780 Millio-
aus dem Saarland verschwindet, müsse die Bevölkerung sensibili- nen Euro aus Landesmitteln, rund
dann ist das ein schwerer Schlag. siert und mitgenommen werden. 1,6 Milliarden vom Bund).
Wenn nicht sogar der Schlag, der Nach langem Warten auf das
das Saarland zum Kippen bringt“, „Ich bin Überzeugungstäter“ grüne Licht von der EU und den
Die Animation sagt Ahr. Und: „Die Kampagne entsprechenden Förderbescheid
zeigt, wie das Stahl ist Zukunft und das Herz aus „Wir haben immer wieder die Ver- war es ein Moment großer Freude
Gelände von Stahl haben wir hier beim Be- bindung geschaffen zwischen Be- - inzwischen jedoch geht bei der
Saarstahl in triebsrat von Saarstahl entwickelt legschaft, Unternehmen und Zu- Belegschaft die Angst um, ob die-
Völklingen, und dann unerbittlich an diesem kunft“ betont Ahr. Er sei „über- ses ambitionierte Vorzeigeprojekt
wie es Rad gedreht.“ So fand ebenfalls zeugt, dass die Lösung, die wir auch wirklich gelingt. Denn damit
voraus- 2016 die Nacht der 1.000 Feuer jetzt haben, diese riesen Investiti- es gelingen kann, muss zwingend
sichtlich 2027 statt, 2020 ging der Betriebsrat onen, auch durch diese Aktionen grüner Wasserstoff zu wettbe-
aussehen soll. beim „Walk of Steel“ in elf Etappen entstanden ist. Das hat nicht nur werbsfähigen Preisen zur Verfü-
Die grünen 350 Kilometer von Völklingen die Geschäftsführung beschlos- ging stehen, erklärt Ahr. Wie aber
Gebäude nach Brüssel, um an dem Ort auf sen.“ Er sei nach wie vor der Mei- eine regionale Wasserstoffversor-
links sind die Gefahr für die Stahlindustrie nung, dass die Belegschaft mit ih- gung aussehen sollte, stehe noch
dann der aufmerksam zu machen, an dem rer wehrhaften Mitbestimmung in den Sternen. „Da entstehen
Bereich zur die Entscheidungen gefällt wer- und der Unterstützung der IG Me- Zweifel, ob das alles überhaupt
Erzeugung den. 2021 folgte der nächste tall viel dazu beigetragen habe. funktioniert. Es geht um Arbeits-
von grünem Stahlaktionstag, „bei dem über Die Lösung, das heißt, die SHS - plätze, da kann man auch nichts
Stahl. 10.000 Menschen nur in Völklin- Stahl-Holding-Saar mit ihren schönreden, man muss die Leute
mitnehmen“, sagt Ahr. Aber letzt-
lich sei er „Überzeugungstäter“
und so werde er wie bisher ge-
meinsam mit dem Betriebsrats-
Team Mut machen, Vertrauen
stärken und weiterkämpfen. Ahr:
„Wir haben alle ein gemeinsames
Ziel: Wir wollen diese Transforma-
tion. Ich bin überzeugt: Wenn wir
diesen Weg trotz aller Schwierig-
Foto: Saarstahl AG aus meiner Sicht keine Chance zu
keiten nicht mitgehen, haben wir
überleben. Wenn es etwas gibt,
was wir können, dann ist es, mit
Krisen umzugehen.“
10 · AK-Konkret 4|24