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Betrieb + Gewerkschaft
„Es geht nur gemeinsam“
INTERVIEW Für Mario Kläs ist ein massiver Personalabbau bei ZF nicht hinnehmbar
Der Zulieferer ZF Friedrichshafen kunftsprodukte. Deshalb sind wir
hat Mitte Oktober seine Pläne zum froh, dass wir unseren Zukunfts-
Stellenabbau bekannt gegeben. fonds haben, um damit den kom-
Im Saarbrücker Werk sollen bis menden Getrieberückgang durch
Ende 2025 rund 1.800 Jobs weg- Neuprodukte zu kompensieren.
fallen, 1.200 davon seien befris- Foto: Iris Maurer
Mario Kläs tete Stellen. Im Saarbrücker Werk Im vergangenen September gab
(Foto: privat) arbeiten rund 10.000 Beschäf- es Proteste gegen den befürchte-
hat 1980 eine tigte. Bei weiterhin schlechter Auf- Auch bei ZF in Saarbrücken fand ten Stellenabbau. Damals kün-
Lehre bei ZF tragslage könnten bis Ende 2028 ein Warnstreik im Rahmen der digte Patrick Selzer, Erster Be-
als Dreher bis zu 4.500 Arbeitsplätze abge- Tarifverhandlungen in der vollmächtigter der IG Metall Saar-
begonnen baut werden. Wie der Betriebsrat Metall- und Elektroindutrie statt. brücken an: „Werden wir der Zu-
Seit 1990 ist die Situation einschätzt, erläutert kunft der Beschäftigten beraubt,
er im Be- Mario Kläs. Die Fragen stellten achten, dass es insbesondere in werden wir in den Widerstand
triebsrat, seit Simone Hien und Jonas Boos. der Industrie einen Trend gibt, den gehen.“ Welche Möglichkeiten
2019 Vorsit- Standort Deutschland zu verlas- gibt es, um für die Arbeitsplätze
zender des Wie ist die Stimmung unter den sen, um eine Verlagerung nach zu kämpfen und mit welcher
Gremiums. Beschäftigten im Werk? zum Beispiel Ost-Europa voranzu- Erfolgsaussicht?
Mario Kläs ist Die Kolleginnen und Kollegen sind treiben. Hier ist auch die Politik in Wir hatten am 10. September ei-
zudem verunsichert, verärgert und ent- der Verantwortung, diesen Trend nen bundesweiten Aktionstag aller
stellvertreten- täuscht. Das Werk Saarbrücken hat aufzuhalten und verlässliche Rah- deutschen ZF-Standorte, bei dem
der Gesamt- über viele Jahre gute Gewinne er- menbedingungen zu schaffen. wir unserem Unmut gegenüber
betriebsrats- zielt und unsere Beschäftigten ha- den Abbauplänen des Vorstandes
vorsitzender ben, auch mit Mehrarbeit an Wo- 2022 hat der Betriebsrat eine Luft gemacht haben. Weitere Re-
sowie Mitglied chenenden und Feiertagen, maß- Zukunftsvereinbarung mit ZF aktionen aus den Belegschaften,
im Aufsichts- geblich dazu beigetragen. Dass ein verhandelt. Ein Element ist ein wie etwa Ablehnungen von freiwil-
rat der ZF Stellenabbau geplant ist, davon Zukunftsfonds, in den die Be- liger Mehrarbeit, waren notwendig,
Friedrichsha- haben wir als Betriebsräte und IG schäftigten einzahlen. Sie ver um den Vorstand an den Verhand-
fen AG. Metall bereits vor einiger Zeit be- zichten damit auf Teile ihrer lungstisch zu bringen. Wir wollen
richtet. Das Unternehmen leug- Entgelterhöhung, um den Stand- nun gemeinsam Rahmenbedin-
nete aber immer wieder, dass es ort zu sichern – zweckgebunden gungen definieren, wo die Reise an
solche Pläne gebe. Das ist unehr- für Investitionen in neue Techno- den deutschen Standorten hinge-
lich, so geht man nicht mit seinen logien. Die Vereinbarung gebe hen kann. Die Pläne des Vorstan-
Beschäftigten um. Was soll man eine Perspektive für die Zukunft, des, ZF nur mit einem massiven
denn jetzt noch glauben? sagten Sie damals. Wie blicken Personalabbau wieder profitabel
Sie heute auf diese Vereinbarung? zu machen, wollen wir jedenfalls
Was ist der Grund für den Stel- Der Zukunftsfonds war die absolut so nicht hinnehmen. Es ist richtig,
lenabbau? Was muss passieren, richtige Entscheidung und wir wür- dass die Transformation Arbeits-
damit sich die Auftragslage den diese Vereinbarung auch plätze kosten wird und wir uns in
bessert? heute nochmals abschließen. Wir einer schlechten konjunkturellen
Das Unternehmen begründet den konnten durch Zuschüsse aus un- Lage befinden. Nach jeder Rezes-
Stellenabbau mit der hinkenden serem Fonds bereits mehrere Pro- sion folgt aber wieder ein Auf-
Nachfrage bei der E-Mobilität, der dukte nach Saarbrücken holen. schwung. Dann werden wir Leute
Transformation und der schlechten Ohne den Fonds wäre es uns nicht brauchen, die die Getriebe und
Konjunktur. Die Argumente treffen gelungen, die Wettbewerbsfähig- Neuprodukte bauen. Wir brauchen
aber nur teilweise zu. Das Werk in keit gegenüber den Niedriglohn- gute Entwickler, um die Produkte
Saarbrücken hat nur sehr geringe ländern darzustellen. Hierbei geht der Zukunft zu entwickeln. Wenn
Anteile an Wertschöpfung bzw. es um die Montage von E-Achsen wir jetzt einen solch massiven Stel-
Beschäftigung bei der E-Mobilität. und die Verzahnungsbauteile. Wir lenabbau in Deutschland hinneh-
Unsere Getriebeabrufe sind um ca. können damit zwar „nur“ ein paar men, war‘s das mit dem Technolo-
zehn Prozent zurückgegangen hundert Arbeitsplätze absichern, gieführer ZF. Mit einer demotivier-
und die Planungen für die nächs- wir haben aber erst mal Zukunfts- ten Belegschaft wird es dem Vor-
ten beiden Jahre zeigen nach heu- produkte, die nach der Getriebe- stand nicht gelingen, den Karren
tigem Stand keinen solch signifi- Ära benötigt werden. Damit haben aus dem Dreck zu ziehen. Ich
kanten Einbruch, der einen Perso- wir auch die Möglichkeit, unseren meine damit Sondermaßnahmen
nalabbau in dieser Größenordnung Kunden zu zeigen, dass wir nicht wie Flexibilität und Mehrarbeit, die
rechtfertigen könnte. Von den Ma- nur die besten Getriebe der Welt nötig sind, auf der einen, und Zu-
nagementfehlern, die das Werk in bauen können, sondern in Zukunft kunftsaussichten auf der anderen
eine unprofitable Situation ge- auch die besten E-Produkte der Seite. All das geht nur gemeinsam:
bracht haben, redet man natürlich Welt fertigen werden. Natürlich Unternehmensführung, Beleg-
nicht. Es ist aber generell zu beob- brauchen wir weitere solcher Zu- schaft, Betriebsrat und IG Metall.
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