Page 29 - AK-Konkret 1|2025 | AK-SPEZIAL „AKTIV IM BETRIEB“
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Arbeitswelten
„Man muss den Leuten
helfen wollen!
PORTRÄT Philipp Kemmer ist Verwaltungsfachangestellter im Bürgerbüro
Von Katja Sponholz (Text) und Pasquale D‘Angiolillo (Foto)
Sprüche wie „Rathaus Schlafhaus“ oder Vorurteile, dass Eine weitere Voraussetzung für die Tätigkeit im Bürger-
bei der Verwaltung nur Kaffee getrunken wird, kennt büro sei Gelassenheit. „Man darf keine kurze Zünd-
Philipp Kemmer nur zu gut. Doch er reagiert gelassen schnur haben“, meint er. „Klar muss man sich nicht alles
darauf: Schließlich ist er seit 2018 selbst bei der Stadt- gefallen lassen, aber es nützt auch nichts, sich anzu-
verwaltung in Völklingen tätig und weiß, wie falsch sie schreien.“ Aber dennoch überwiegen die positiven Er-
sind. Den Freunden mit dem neuen Pkw sagt er dann in fahrungen. Etwa dann, wenn er die Freude bei jenen
solchen Fällen: „Wenn es uns nicht gäbe, wäre dein Auto Menschen erlebt, die die Zulassung für das neue Auto
nicht zugelassen!“ Der 26-Jährige arbeitet seit rund zwei erhalten. Oder die stolz auf die Ummeldung schauen,
Jahren als Verwaltungsfachangestellter im Bürgerbüro. nachdem sie in das erste eigene Haus umgezogen sind.
Dort kümmert er sich neben Kfz- und Meldeangelegen- „Wenn man dann sieht, wie glücklich sie sind, ist das
heiten auch um die Beantragung von Personalauswei- einfach schön!“, erklärt Verwaltungsfachangestellte.
sen, Reisepässen oder Anwohner- und Schwerbehin- „Dann fühlt man sich einfach wertgeschätzt. So, als
dertenparkausweisen. „Man könnte davon hätte man jemandem einen großen Gefallen
ausgehen, dass es langweilig wird, weil es getan.“ Und das, obwohl er doch eigentlich
sich immer um die gleichen Zulassungen Dann fühlt man „nur“ seinen Job gemacht hat.
oder die gleichen Ausweise handelt“, sagt sich einfach wert-
der Völklinger. „So ist es aber nicht. Tatsäch- Philipp Kemmer kann sich daher gut vorstel-
lich ist jeder Fall einzigartig.“ Auch, wenn es geschätzt. So, als len, noch lange im Bürgerbüro zu arbeiten –
natürlich ein bestimmtes Schema gebe. habe man jemandem zumal er Ende Dezember zum stellvertre-
„Das ist aber nur das Grundgerüst – alles an- einen großen Gefallen tenden Fachdienstleiter nachgerückt ist.
ders drumherum ist das, was die Sache getan. „Man sagt immer, man wünscht sich, dass
spannend macht.“ eigentlich alles so bleibt, wie es ist. Das kann
ich unterschreiben.“ Vielleicht würde er sich
Und vor allem sind es die menschlichen Be- irgendwann auch einmal für ein Studium
gegnungen. Auch deshalb bewarb sich Phi- oder einen zweiten Verwaltungslehrgang in-
lipp Kemmer im Dezember 2022 nach sei- teressieren, der die Voraussetzung dafür sei,
ner dreijährigen Ausbildung, die er zum dann auch mehr Geld zu erhalten. „Das ist
größten Teil bei der Stadtkasse absolvierte, für das Bür- aber nicht Priorität Nummer Eins bei mir“, sagt er. „Wich-
gerbüro. Denn die Station an der Information hatte ihm tiger ist mir bei der Arbeit, die Leute, die hierhin kom-
gut gefallen – „und da habe ich gemerkt, dass das Sit- men, glücklich zu machen und gut mit den Arbeitskol-
zen in einem Einzelbüro mich auf Dauer vielleicht doch legen zu sein.“
nicht so glücklich macht.“
Dass die erste Zeit im Bürgerbüro besonders anstren-
gend war, lag nicht nur an den neuen Aufgaben, son-
dern auch daran, dass er „von 0 auf 100“ komplett mit HINTERGRUND
dem Bürger zu tun gehabt habe. „Hier entlädt sich alles.
Auch Wut.“ Etwa dann, wenn man keine Pkw-Zulassung Ungefähr die Hälfte der Azubis startet mit
erteilt, weil der Besitzer noch Steuerrückstände hat. Die Abitur oder Fachabitur in die Ausbildung zum
Verärgerung über stundenlange Wartezeiten gehört je- Verwaltungsfachangestellten, so das
doch der Vergangenheit an, seit zu Corona eine Online- Online-Portal azubiyo.de. Die andere Hälfte
Terminbuchung eingeführt wurde. Und ein neues Sys- hat einen mittleren Abschluss.
tem mache diese seit September noch bürgerfreundli-
cher. Termine könnten jetzt flexibler vergeben werden. Die Ausbildung im öffentlichen Dienst
„Ich habe noch niemanden erlebt, der sagt, etwas geht dauert drei Jahre und findet dual im Wechsel
nicht, wenn es einen wichtigen Anlass gibt“, berichtet zwischen Betrieb und Berufsschule statt.
Philipp Kemmer. Das liege jedoch auch daran, dass sich
das 18-köpfige Team bei seiner Abteilung tatsächlich Im ersten Jahr der Ausbildung liegt das
bemühe, die Bürger bei ihren Anliegen zu unterstützen. Gehalt laut Online-Portal ausbildung.de bei
„In diesem Beruf sollte man eine soziale Ader haben: rund 1.220 Euro brutto im Monat. Im zweiten
Dass man den Leuten auch wirklich helfen will!“, sagt Jahr gibt es 1.270 Euro monatlich, im dritten
der 26-Jährige. Auch sollte man gut mit Menschen um- 1.315 Euro. Die Zahlen gelten seit März 2024
gehen können: Schließlich sind es täglich bis zu 30 für eine Ausbildung bei einem kommunalen
Frauen und Männer, die mit einem Anliegen vor seinem Arbeitgeber wie einer Stadtverwaltung. ks
Schreibtisch stehen.
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