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Arbeitswelten
                       „Man muss den Leuten



                                     helfen wollen!




                 PORTRÄT  Philipp Kemmer ist Verwaltungsfachangestellter im Bürgerbüro

                                  Von Katja Sponholz (Text) und Pasquale D‘Angiolillo (Foto)
        Sprüche wie „Rathaus Schlafhaus“ oder Vorurteile, dass   Eine weitere Voraussetzung für die Tätigkeit im Bürger-
        bei  der  Verwaltung  nur  Kaffee  getrunken  wird,  kennt   büro sei Gelassenheit. „Man darf keine kurze Zünd-
        Philipp Kemmer nur zu gut. Doch er reagiert gelassen    schnur haben“, meint er. „Klar muss man sich nicht alles
        darauf: Schließlich ist er seit 2018 selbst bei der Stadt-  gefallen lassen, aber es nützt auch nichts, sich anzu-
        verwaltung in Völklingen tätig und weiß, wie falsch sie   schreien.“ Aber dennoch überwiegen die positiven Er-
        sind. Den Freunden mit dem neuen Pkw sagt er dann in    fahrungen.  Etwa  dann, wenn  er  die  Freude  bei  jenen
        solchen Fällen: „Wenn es uns nicht gäbe, wäre dein Auto   Menschen erlebt, die die Zulassung für das neue Auto
        nicht zugelassen!“ Der 26-Jährige arbeitet seit rund zwei   erhalten. Oder die stolz auf die Ummeldung schauen,
        Jahren als Verwaltungsfachangestellter im Bürgerbüro.   nachdem sie in das erste eigene Haus umgezogen sind.
        Dort kümmert er sich neben Kfz- und Meldeangelegen-     „Wenn man dann sieht, wie glücklich sie sind, ist das
        heiten auch um die Beantragung von Personalauswei-      einfach schön!“, erklärt  Verwaltungsfachangestellte.
        sen, Reisepässen oder Anwohner- und Schwerbehin-        „Dann fühlt man sich einfach  wertgeschätzt. So, als
        dertenparkausweisen.  „Man  könnte  davon                        hätte man jemandem einen großen Gefallen
        ausgehen, dass es langweilig wird, weil es                       getan.“ Und das, obwohl er doch eigentlich
        sich immer um die  gleichen  Zulassungen   Dann fühlt man        „nur“ seinen Job gemacht hat.
        oder  die gleichen  Ausweise  handelt“,  sagt   sich einfach wert-
        der Völklinger. „So ist es aber nicht. Tatsäch-                  Philipp Kemmer kann sich daher gut vorstel-
        lich ist jeder Fall einzigartig.“ Auch, wenn es   geschätzt. So, als   len, noch lange im Bürgerbüro zu arbeiten –
        natürlich ein bestimmtes Schema gebe.   habe man jemandem        zumal er Ende Dezember zum stellvertre-
        „Das ist aber nur das Grundgerüst – alles an-  einen großen Gefallen   tenden  Fachdienstleiter  nachgerückt  ist.
        ders drumherum ist das,  was die Sache         getan.            „Man sagt immer, man wünscht sich, dass
        spannend macht.“                                                 eigentlich alles so bleibt, wie es ist. Das kann
                                                                         ich unterschreiben.“ Vielleicht würde er sich
        Und vor allem sind es die menschlichen Be-                       irgendwann auch  einmal  für ein  Studium
        gegnungen. Auch deshalb bewarb sich Phi-                         oder einen zweiten Verwaltungslehrgang in-
        lipp Kemmer im Dezember 2022 nach sei-                           teressieren, der die Voraussetzung dafür sei,
        ner dreijährigen  Ausbildung, die er zum                         dann auch mehr Geld zu erhalten. „Das ist
        größten Teil bei der Stadtkasse absolvierte, für das Bür-  aber nicht Priorität Nummer Eins bei mir“, sagt er. „Wich-
        gerbüro. Denn die Station an der Information hatte ihm   tiger ist mir bei der Arbeit, die Leute, die hierhin kom-
        gut gefallen – „und da habe ich gemerkt, dass das Sit-  men, glücklich zu machen und gut mit den Arbeitskol-
        zen in einem Einzelbüro mich auf Dauer vielleicht doch   legen zu sein.“
        nicht so glücklich macht.“

        Dass die erste Zeit im Bürgerbüro besonders anstren-
        gend war, lag nicht nur an den neuen Aufgaben, son-
        dern auch daran, dass er „von 0 auf 100“ komplett mit         HINTERGRUND
        dem Bürger zu tun gehabt habe. „Hier entlädt sich alles.
        Auch Wut.“ Etwa dann, wenn man keine Pkw-Zulassung              Ungefähr die Hälfte der Azubis startet mit
        erteilt, weil der Besitzer noch Steuerrückstände hat. Die     Abitur oder Fachabitur in die Ausbildung zum
        Verärgerung über stundenlange Wartezeiten gehört je-          Verwaltungsfachangestellten, so das
        doch der Vergangenheit an, seit zu Corona eine Online-        Online-Portal azubiyo.de. Die andere Hälfte
        Terminbuchung eingeführt wurde. Und ein neues Sys-            hat einen mittleren Abschluss.
        tem mache diese seit September noch bürgerfreundli-
        cher. Termine könnten jetzt flexibler vergeben werden.          Die Ausbildung im öffentlichen Dienst
        „Ich habe noch niemanden erlebt, der sagt, etwas geht         dauert drei Jahre und findet dual im Wechsel
        nicht, wenn es einen wichtigen Anlass gibt“, berichtet        zwischen Betrieb und Berufsschule statt.
        Philipp Kemmer. Das liege jedoch auch daran, dass sich
        das  18-köpfige  Team  bei  seiner  Abteilung  tatsächlich      Im ersten Jahr der Ausbildung liegt das
        bemühe, die Bürger bei ihren Anliegen zu unterstützen.        Gehalt laut Online-Portal ausbildung.de bei
        „In diesem Beruf sollte man eine soziale Ader haben:          rund 1.220 Euro brutto im Monat. Im zweiten
        Dass man den Leuten auch wirklich helfen will!“, sagt         Jahr gibt es 1.270 Euro monatlich, im dritten
        der 26-Jährige. Auch sollte man gut mit Menschen um-          1.315 Euro. Die Zahlen gelten seit März 2024
        gehen  können:  Schließlich  sind  es  täglich  bis  zu  30   für eine Ausbildung bei einem kommunalen
        Frauen und Männer, die mit einem Anliegen vor seinem          Arbeitgeber wie einer Stadtverwaltung.    ks
        Schreibtisch stehen.

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