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Titelthema
Situation in den saarländischen
Kitas spitzt sich immer mehr zu
BETREUUNGSANGEBOT Zu viele Familien gehen leer aus – mehr Qualität ist nötig
Trotz des Platzausbaus verschärft
sich der allgemeine Konkurrenz-
kampf um Kitaplätze deutlich. Er
wird in der Regel zu Gunsten
derer, die mit dem System bereits
vertraut sind, entschieden. Ver-
lierer sind Kinder mit Migrations-
hintergrund, aus Familien mit
niedrigen Bildungsabschlüssen
und von Alleinerziehenden. Nach- Foto: Adobe Stock/natalialeb
haltige Konzepte, die die Situation
in Kitas für Familien wie Personal
entschärfen, sind dringend
erforderlich.
Vor allem Kinder, die aus weniger privilegierten Verhältnissen
Von Tabea Hust kommen, dürften von frühkindlichen Bildungsangeboten profitieren.
Die Zahl der Kinder unter drei Jah- massiver Personalengpässe nur legierten Verhältnissen kommen,
ren im Saarland, die professionell ein Kita-Angebot „light“. Ange- dürften besonders von frühkindli-
betreut werden, hat sich in den sichts wachsender Anforderun- chen Bildungsangeboten profitie-
letzten 15 Jahren nahezu verdrei- gen an pädagogische Fachkräfte ren – und ausgerechnet ihnen
facht (von 10,2 Prozent im Jahr bei sich zuspitzender Personalnot bleibt der Zugang leider oftmals
2006 auf 29,8 Prozent im Jahr muss Bildungsarbeit nicht selten verwehrt. Sei es, weil ihre Eltern
2021). Diese Steigerung ist dem hintenangestellt werden, um zu- bei den komplizierten Bewer-
bundesweiten gesetzlichen An- mindest eine annähernd kindge- bungs- und Vergabeverfahren
spruch auf Betreuung ab dem rechte Betreuung zu sichern. Hier um einen Kitaplatz das Nachse-
vollendeten ersten Lebensjahr geht wichtiges Bildungspotenzial hen haben oder an sprachlichen
seit 2013 zu verdanken. Hiermit verloren – und das über die Zahl Barrieren scheitern. Trotz des
ging ein enormer Ausbau des An- der Kinder hinaus, die erst gar Platzausbaus verschärft sich der
gebots von Kitas und Kinderta- keine Chancen auf einen Platz ha- allgemeine Konkurrenzkampf um
gespflege einher. Dennoch liegt Kitaplätze zusehends. Er wird in
der Betreuungswunsch saarlän- Bildungsbenachteiligung der Regel zu Gunsten derer, die
discher Eltern von U3-Kindern hat gravierende Folgen mit dem System bereits vertraut
höher: Im Jahr 2021 gingen 13,6 sind, entschieden. Der gesetzli-
Prozent derjenigen, die gerne ein ben. Dies ist besorgniserregend, che Anspruch verkommt zur Uto-
frühkindliches Betreuungsange- treten doch die Unterschiede pie, wenn es nicht genügend Per-
bot genutzt hätten, leer aus. Bei kindlicher Lebenswelten immer sonal gibt, das diesen Anspruch
den Drei- bis Fünfjährigen ist die gravierender zu Tage: Während formal gewährleisten sowie in-
Bedarfslücke mit 4,3 Prozent ge- sich die soziale Schere weitet, haltlich mit Leben füllen kann. Be-
ringer. entsteht ein Ungleichheitsge- sonders alleinerziehende er-
Im Jahr 2022 wurden 32 Pro- flecht aus sozioökonomischen, werbstätige Eltern sind auf einen
zent der Kinder unter drei Jahren gesundheitlichen und Bildungs- verlässlichen Betreuungsplatz
und 88,8 Prozent der Kinder von benachteiligungen. Hierbei wird angewiesen. In Zeiten unzurei-
drei bis fünf Jahren im Saarland ein fataler Kreislauf in Gang ge- chender Personalisierung und
professionell betreut. Beide Werte setzt, der – befeuert durch die hoher Krankenstände in Kitas de-
liegen rund drei Prozentpunkte Corona-Pandemie – den frühzei- stabilisiert sich zwangsläufig die
unter dem Bundesschnitt. Umge- tigen sozialen Ausschluss junger berufliche wie soziale Situation
kehrt klingen die Zahlen schon Menschen begünstigt. Laut junger Familien. Soll dieser Kreis-
unbefriedigender: Auch nach COPSY-Studie haben Kinder mit lauf durchbrochen werden,
zehn Jahren Rechtsanspruch Migrationshintergrund und aus braucht es nachhaltige Konzepte,
kommen 68 Prozent der U3-Kin- Familien mit niedrigen Bildungs- wie die Situation in Kitas für das
der und 11,2 Prozent der Kinder abschlüssen in besonders negati- Personal sowie für Kinder und ihre
zwischen drei und fünf Jahren ver Weise die (psychischen) Fol- Familien entschärft und verlässli-
überhaupt nicht in den Genuss gen der Corona-Pandemie zu che Bildungsangebote bereitge-
eines frühkindlichen Betreuungs- spüren bekommen. Bildungsan- halten werden können.
angebots. Selbst diejenigen, die gebote könnten hier eine ausglei-
Glück haben und einen Platz fin- chende Funktion einnehmen. Ge- Tabea Hust ist Referentin für
den, erhalten häufig aufgrund rade Kinder, die aus weniger privi- Bildungs- und Kulturpolitik.
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