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Titelthema
„Wahlrecht ist ein Menschenrecht“
INTERVIEW Junge Menschen wollen sich einbringen, sagt Fabienne Wolfanger
Der Landesjugendring (LJR) ver-
tritt die Interessen der Kinder- und
Jugendverbände und ihrer Mit-
glieder in Politik und Gesellschaft,
er setzt sich also für das Wohl jun-
ger Menschen im Saarland ein. Si-
mone Hien und Jörg Jacoby, Refe-
rent für Bildungs- und Kulturpoli-
tik, haben mit der Vorstandsspre-
cherin Fabienne Wolfanger unter
anderem über das Wahlrecht ab
16 gesprochen.
Frau Wolfanger, aus Sicht des André Piro (v. l.), Lisa Klipp, Matthias Becker, Fabienne Wolfanger
LJR und seiner Mitgliederver- und Alexander Jost bei der Vollversammlung im Dezember 2023.
bände: Was läuft gut für junge
Menschen im Land und was fehlt rigschwellige und direkte Formate Wie soll man von jungen Men-
ihnen? statt langwieriger und aufwändi- schen erwarten, dass sie sich für
Den jungen Menschen fehlt es an ger Beiräte und Parlamente, die die Gesellschaft engagieren, wenn
echter Beteiligung auf Kommunal- nicht zur Lebensrealität der Ju- man ihnen im gleichen Atemzug
und Landesebene. Den Jugend- gendlichen passen. Wir wollen, vor Augen hält, dass sie kein voll-
strukturen an der auskömmlichen dass es die Möglichkeit gibt, auch wertiges Mitglied dieser Gesell-
Förderung ihrer Arbeit – da hat sich nur an einem Abend dabei zu sein schaft sind und ihnen abspricht
aber bereits viel getan. Um wieder und seine Meinung einzubringen, mitzuentscheiden? Aktuelle Stu-
eine Million zu werden, brauchen statt sich gleich für mehrere Jahre dien zeigen zudem, dass die Sorge
wir junge Menschen im Saarland, verpflichten zu müssen. um die politische Reife von jungen
die hierbleiben wollen. Das kann Menschen unbegründet ist. Für
nur durch Teilhabe, aktive Vereine Für die Europawahlen 2024 uns wird in der Diskussion immer
und beispielsweise kostenfreie Bil- wurde das Wahlalter auf 16 Jahre wieder deutlich: Es gibt kein vali-
dung gelingen. abgesenkt. Die SPD im saarländi- des Argument dafür, jungen Men- !
schen Landtag wollte es auch für schen ihr Grundrecht auf demo-
Das Landesjugendparlament im die Kommunalwahlen, die auch kratische Teilhabe zu verwehren. Der Landes-
saarländischen Landtag wurde in 2024 stattfinden, auf 16 Jahre jugendring
den 1980ern eingestellt – wegen absenken, was allerdings an der Nichtsdestotrotz ist es wichtig, Saar e.V. ist die
nachlassenden Interesses der CDU scheiterte. Auch der LJR dass junge Menschen lernen, auf Arbeitsge-
Jugendlichen. 2019 hat der fordert eine solche Absenkung. gesellschaftlicher, sozialer und meinschaft
damalige Landtagspräsident Mit welchen Argumenten? Von politischer Ebene Verantwortung von 28
Stephan Toscani eine Wiederein- Gegnern der Absenkung wird ja zu übernehmen und dass sie die Kinder- und
führung angeregt, seit Jahren ist oft behauptet, jungen Menschen Möglichkeit zur Mitgestaltung Jugendver-
bereits ein niedriger fünfstelliger in dem Alter fehle die politische haben. Wie sehen diese diesbe- bänden im
Betrag hierfür in den Haushalt Reife, um wählen zu können. züglich bisher im Saarland aus? Saarland.
eingestellt. Wie ist es denn heute Das Wahlrecht ist ein grundlegen- Wie können junge Menschen ihre Er ist an-
um das politische Interesse der des Menschenrecht. Ich will also eigenen Interessen vertreten und erkannter
Jugendlichen bestellt? Und wie lieber Fragen: Mit welchen Argu- auf Veränderungen hinwirken? Träger der
könnte ein Landesjugendparla- menten werden Menschen unter Die beste Möglichkeit ist immer Jugendhilfe
ment ausgestaltet sein? 18 von diesem Recht ausgeschlos- das Engagement vor Ort! Ob im auf Landes-
Wir wünschen uns statt eines Lan- sen? Und wo kämen wir hin, wenn Karnevalsverein, bei der Feuer- ebene und
desjugendparlaments eine offe- wir uns Menschenrechte erst „ver- wehr, in der Kirche, der Gewerk- gemeinnützig.
nere Form der Beteiligung. Die dienen” müssten? Das Wahlrecht schaft oder im Jugendzentrum, in Die Mitglieds-
Vorteile unseres kleinen Bundes- und die Rechtsfähigkeit sind nicht all diesen Vereinen können junge verbände sind
lands können wir nutzen und di- aneinander gekoppelt. Die Rechts- Menschen lernen, Verantwortung konfessionell,
rekte Beteiligungsformate wagen, fähigkeit liegt bei 18 Jahren, um zu übernehmen und sich gesell- gewerkschaft-
wie etwa die digitale Diskussions- junge Menschen davor zu schüt- schaftlich engagieren. Es geht da- lich, sozial,
veranstaltung bei der Anhörung zen, falsche Entscheidungen zu rum, das Beste für die eigenen In- ökologisch,
2021. Daran haben ganz viele ver- treffen, deren Konsequenzen fol- teressen vor Ort zu erreichen, freizeit- oder
schiedene junge Menschen teilge- genschwer sein können. Dieses Kompromisse zu finden und ge- musisch-kul-
nommen und gezeigt, dass das Argument greift bei Wahlen nicht. meinsam etwas zu bewegen. Au- turell orien-
der richtige Weg ist. Junge Men- Kein junger Mensch muss davor ßerdem setzen wir uns als LJR für tiert. Mehr
schen wollen sich einbringen, jetzt geschützt werden, am grundle- eine Muss-Regelung im KSVG zur Infos: www.
gilt es die passende Beteiligungs- gendsten demokratischen Prozess kommunalen Beteiligung junger landesjugend-
form zu finden. Wir brauchen nied- unserer Gesellschaft teilzuhaben. Menschen ein. ring-saar.de
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