Page 10 - AK-Konkret: 1 | 2024 | AK-SPEZIAL „Aktiv im Betrieb“

Titelthema
„Eine Arbeitszeitverkürzung bringt

eine Reduzierung der Belastung“

INTERVIEW Wir brauchen dringend neue Arbeitszeitmodelle, sagt PATRICK SELZER

Patrick Selzer, Erster Bevollmäch- Forderung zur falschen Zeit? 35-Stunden-Woche, gibt es etwa
tigter der IG Metall Saarbrücken, Ganz klar: nein! Diese Äußerungen zahlreiche Arbeitszeitmodelle, in
sieht eine Verkürzung der sind bekannt. Ob es jedoch gute denen bei Schichtmodellen Zeiten
Arbeitszeit als wirksame Maß- Argumente sind, gilt es zu bezwei- aufgebaut und dann über Frei-
nahme zum Gelingen der feln. Als ich Anfang der 90er Jahre schichten oder Brückentage ab-
Transformation. In der AK-Kon- als Jugend- und Auszubildenden- gebaut werden. Auch heute gibt
Patrick Selzer kret erklärt er zudem, weshalb vertreter in der gewerkschaftli- es bereits Schichtmodelle in Un-
(Foto: IG die Arbeitszeitverkürzung keine chen Jugendarbeit angefangen ternehmen, in denen durch hohe
Metall) ist Verschärfung des Fachkräfte- habe, gab es bereits eine Forde- Flexibilität weniger als 35 Stunden
Erster mangels bedeutet. Die Fragen rung der IG Metall zur Umlagefi- pro Woche gearbeitet werden und
Bevollmäch- stellte Alexander Stallmann. nanzierung für die Ausbildung. die fehlende Zeit gar nicht oder in
tigter und Dass zu wenig ausgebildet wird, ist geringerem Umfang nachgearbei-
Kassierer der Herr Selzer, die IG Metall forderte also kein neues Problem, sondern tet wird. Ein Modell der Arbeitszeit-
IG Metall kürzlich in den Tarifverhandlun- eine jahrzehntelange Herausfor- verkürzung ist also weitaus weni-
Saarbrücken. gen der nordwestdeutschen und derung, vor der sich viele Arbeit- ger abwegig als von den Arbeitge-
Zuvor war er ostdeutschen Eisen- und Stahlin- geber gedrückt haben. Zudem: bern häufig propagiert.
von 2004 bis dustrie unter anderem eine Ver- Wenn es um Fachkräfte geht, gilt
2018 Zweiter kürzung der Arbeitszeit in Form es, deren Know-how und Leis- Im Saarland sind die geltenden
Bevollmäch- einer 32-Stunden-Woche. Was tungsfähigkeit zu erhalten und Tarifverträge erstmals Ende Feb-
tigter. spricht aus Ihrer Sicht für eine sol- gleichzeitig durch Qualifizierung ruar 2024 kündbar. Wird die IG
che Arbeitszeitverkürzung? und Ausbildung weitere Fach- Metall auch für die Beschäftigten
Im Zuge der Transformation ent- kräfte zu sichern. der saarländischen Stahlindustrie
stehen neue Technologien und eine 32-Stunden-Woche bei vol-
Veränderungen in Produktions- Was sieht das Modell, das die IG lem Lohnausgleich fordern?
prozessen. Diese wirken sich auf Metall fordert, konkret vor? Sollen In der Eisen- und Stahlindustrie
die Art der Tätigkeit, aber auch auf alle Beschäftigten in einer 4-Tage- etwa in Nordrhein-Westfalen
die Anzahl der dafür benötigten Woche von Montag bis Donners- wurde eine gute Lösung zum Ein-
Beschäftigten aus. Zugleich stel- tag arbeiten? stieg in die Verkürzung der Ar-
len wir fest, dass die Belastung am Bei der Frage der Verkürzung der beitszeit der Zukunft vereinbart,
Arbeitsplatz in den vergangenen Arbeitszeit geht es vorrangig um welcher den Transformationspro-
Jahren trotz deutlicher Verbesse- eine Verteilung des Arbeitsvolu- zess auf eine klimaneutrale Pro-
rung der Ergonomie stark zuge- mens auf mehr Beschäftigte und duktion berücksichtigt. Für das
nommen hat. Dies hat sicherlich eine Reduzierung der Belastung. Saarland wurde eine identische
mehrere Ursachen: von dem gro- Die Gestaltung der Arbeitszeit ob- Forderung beschlossen. Es wird
ßen Zeitdruck über die Sorge um liegt gemäß Betriebsverfassungs- sich zeigen, ob sich die Arbeitge-
den Arbeitsplatz bis hin zu Verän- gesetz der Mitbestimmung der ber in Richtung Lösung oder Kon-
derungen im familiären und ge- Betriebsparteien, sprich Betriebs- flikt positionieren. Mit Blick auf die
sellschaftlichen Leben. Diese und rat und Arbeitgeber. Die Tarifver- Arbeitsplätze werden die Kollegin-
weitere Aspekte führen dazu, dass träge zur Arbeitszeit stellen dabei nen und Kollegen der Stahlindust-
wir vor der Herausforderung ste- nur die Rahmenbedingungen. rie nach wie vor für ihre Zukunft
hen, wie es möglich ist, die Belas- Schon heute, bei einer klassischen kämpfen.
tung zu reduzieren und gleichzei-
tig die Intensität in der Produktion
aufrechtzuerhalten. Dies kann mit
neuen Arbeitszeitmodellen gelin-
gen. Hierfür macht sich die IG Me-
tall stark. Das künftige Arbeitsvolu-
men sollte bei geringerer Arbeits-
zeit und damit verbundenener
Reduzierung der Belastung unter
vielen Köpfen aufgeteilt werden.

Von Arbeitgeberseite kommt Foto: Adobe Stock/GustavsMD
häufig das Argument, dass in Zei-
ten des Fachkräftemangels ohne-
hin schon Personal fehle. Eine
Verkürzung der Arbeitszeit ver- Die IG Metall setzt sich für eine Arbeitszeitverkürzung in der Eisen-
schärfe das Problem. Kommt die und Stahlindustrie ein.

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