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Titelthema zur Krise
Service GmbH und als Betriebs- gucken, wie ich alles bezahlen Von Ängsten und Sorgen be-
rätin tätig. Sie befürchtet sogar, kann. Dabei gehe ich doch ei- richtet auch Alexander Schmidt.
dass es im Winter vermehrt gentlich nicht nur arbeiten, um Er ist 39 Jahre alt, Maschinen-
Krankmeldungen geben unsere Nebenkosten zu bezah- führer bei Hörmann Eckelhau-
könnte, weil die Menschen nicht len“, sagt sie und fügt hinzu: „Ich sen und Betriebsratsmitglied.
mehr wissen, wie sie ihr Bus-Ti- finde, wir krie- „Viele Kollegin-
cket oder den Kraftstoff fürs gen gerade nen und Kolle-
Auto für den Weg zur Arbeit alle Lebens- Bei uns arbeiten gen suchen
zahlen sollen. „Corona war freude genom- alleinerziehende derzeit hände-
schon sehr schlimm. Aber ich men.“ Frauen, die kämpfen ringend nach
glaube, in diesem Winter wird Als „sehr be- Wegen, wie sie
alles noch schlimmer“, sagt lastend“ be- richtig für ihr Geld, die an Geld kom-
Rimkus. Viele ihrer Kolleginnen schreibt auch gehen Tag und Nacht men können.
und Kollegen sorgten sich zu- Jessica Hoff- arbeiten. Einige überle-
dem um die Weihnachtszeit: mann die der- Daniela Blaser gen bereits,
„Viele wissen nicht, wie sie Ge- zeitige Situa- Reinigungskraft Versicherun-
schenke bezahlen sollen oder tion. Sie ist 39 gen zu kündi-
wollen sich noch einen schönen Jahre alt, arbei- gen, um sich
Ausflug mit den Familien gön- tet in der Logis- diese auszah-
nen, aber es ist einfach kein tik bei der Ha- len zu lassen“,
Geld dafür da. Das ist eine sehr ger Group und erklärt Alexan-
belastende Situation.“ Die Leute muss jeden Tag mit dem Auto der Schmidt: „Ich habe auch
trauten sich auch keinen Urlaub von Neunkirchen zu ihrer Ar- schon von mehreren gehört,
zu planen, da alles einfach zu beitsstelle nach Blieskastel fah- dass es bei ihnen in diesem Jahr
ungewiss ist. Rimus wünscht ren. „Wir hatten uns eigentlich keine Weihnachtsgeschenke
sich von der Politik eine gezielte einen Diesel geben wird. Die
finanzielle Unterstützung für gekauft, um Man sieht einfach kein Leute sind
den Niedriglohnsektor. Geld zu sparen. wirklich kurz
Auch Daniela Blaser arbeitet Jetzt zahlen wir Licht mehr am Ende vor der Ver-
als Reinigungskraft. Sie sagt: mehr als mit des Tunnels. Ich sehe zw eif elung.
„Uns geht es momentan noch einem Benzi- die Regierung bei den Niemand plant
gut. Mein Mann verdient gut, ich ner“, sagt Hoff- Energiepreisen in der seinen Urlaub
arbeite vier Stunden am Tag man. Große Pflicht. fürs kom-
und verdiene dazu, aber wir ma- Sorgen mache mende Jahr,
chen uns schon Gedanken um sie sich vor al- Timo Schmitt weil es allen zu
die Zukunft“, Die 51-Jährige lebt lem darum, Schlosser unischer ist.“ Im
mit ihrem Mann und dem dass es in Zu- Hinblick auf die
25-jährigen Sohn im Eigenheim kunft noch anstehenden
in Sulzbach. 2021 bekam die schlimmer Tarifrunden er-
Familie eine Pelletheizung, die werden könnte: klärt Schmidt:
Schwiegermutter, die ebenfalls „Eigentlich bin „Die Forderung
im Haus wohnt, heizt noch mit ich mittlerweile an einem Punkt nach acht Prozent mehr Lohn
Gas. „Die Pellets kosten derzeit in meinem Leben, an dem ich der IG-Metall vor der anstehen-
das Dreifache von dem, was wir mir was leisten könnte. Ich habe den Tarifrunde der Metall- und
letztes Jahr bezahlen mussten. Angst davor, dass es künftig Elektroindustrie ist ein gutes Si-
Da sagt unsere Regierung, wir wieder so wer- gnal. Auch um
sollen etwas für die Umwelt tun den könnte wie Viele Kolleginnen und die Kaufkraft
und dann kann man die Pellets es einmal war: der Beschäftig-
nicht mehr bezahlen. Da kann Dass das Geld Kollegen sagen jetzt ten zu stärken.
ich auch das Gas aufdrehen“, är- trotz vieler Ar- schon, dass es dieses Es ist aber ma-
gert sie sich. beit hinten und Jahr an Weihnachten ximal ein Infla-
Auch das Einkaufen mache vorne nicht keine Geschenke tionsausgleich.“
keinen Spaß mehr: „Das Geld ist reicht. Auch geben wird. Die Politik sei in
so schnell weg, da hat man hinsichtlich der der Pflicht, die
noch nichts im Einkaufswagen“, Altersvorsorge Alexander Schmidt Beschäftigten
sagt Blaser. Bei all dem stelle be für ch t e t Maschinenführer anderweitig zu
man sich schon die Frage: „Wie Hoffmann eine entlasten. Die
lange schaffen wir das?“ Weil sie pr oblema ti - Energiepreis-
nicht wüssten, was noch auf sie sche Entwick- pauschale sei
zukomme, würden sie und ihr lung: „Wir woll- ein schönes
Mann auch schon vorsorglich ten uns eigent- Zeichen gewe-
sparen, nicht nur am Strom: „Wir lich ein Haus als Altersvorsorge sen. Sie helfe vielen Arbeitneh-
fahren normalerweise regelmä- kaufen und wollen unseren Kin- merinnen und Arbeitnehmern
ßig in Urlaub, dieses Jahr sind dern natürlich auch was hinter- aber höchstens einen oder zwei
wir zuhause geblieben. Ich kann lassen. Aber das ist nun alles Monate und bringe auf Dauer
ja jetzt nicht leben und nachher nicht mehr realisierbar.“ nichts.
AK-Konkret 5|22 · 13