Arbeitskammer fordert Mindestlohn statt Armutslohn

Pressedienst vom

Anlässlich des Treffens der neu berufenen Mindestlohnkommission morgen, 4. Februar, fordert die Arbeitskammer des Saarlandes, den Mindestlohn „armutsfest“ zu gestalten. „Das bedeutet, dass Vollzeitbeschäftigte mit Mindestlohn jetzt von ihrem Lohn leben können und auch im Alter nicht auf Grundsicherung angewiesen sind“, erklärt Jörg Caspar, Vorstandsvorsitzender der Arbeitskammer des Saarlandes.

Nach Berechnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wäre im Jahr 2018 dazu rechnerisch ein Stundenlohn von 12,63 Euro erforderlich gewesen. Vor diesem Hintergrund fordert die Arbeitskammer einen Anstieg des Mindestlohnes von aktuell 9,35 Euro bis zum Jahr 2024 auf wenigstens 13 Euro.

„Der Kardinalfehler bei der Einführung des Mindestlohns war, dass er von Beginn an viel zu niedrig angesetzt wurde“, kritisiert Caspar. „Steigt der Mindestlohn weiter wie bisher in Höhe der Tariflohnzuwächse, läge er im Jahr 2024 bei 10,12 Euro und würde erst im Jahr 2033 ein Niveau von rund 12 Euro erreichen. Damit bliebe der Mindestlohn ein Armutslohn“, so Caspar weiter (siehe Grafik).

Mindestlohn-Graphik


Daher muss der Mindestlohn nach Auffassung der Arbeitskammer so lange stärker steigen als die Tariflöhne, bis er ein „armutsfestes“ Niveau erreicht hat, von dem man leben kann. „Die Mindestlohnkommission muss die Bedarfe der Menschen in den Mittelpunkt rücken“, mahnt Caspar, „es ist zu einfach, sich nur am Tariflohnindex zu orientieren.“ Der Arbeitslohn muss zum Leben reichen.

Nach Einschätzung der Arbeitskammer wird ein höherer Mindestlohn die Konsumnachfrage anregen und so letztlich positive wirtschaftliche Impulse nach sich ziehen. Die Arbeitskammer bewertet die bisherigen Erfahrungen mit dem Mindestlohn positiv: „Die von vielen Schwarzsehern befürchteten Beschäftigungsverluste sind seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in keiner Weise eingetreten“, resümiert Caspar. Um der Wirtschaft Zeit zu geben, sich auf die neue Kostenstruktur einzustellen, spricht sich die Arbeitskammer für eine deutliche Anhebung in zeitlich klar definierten Schritten aus.

Die Arbeitskammer plädiert dafür, das Kriterium der Armutsfestigkeit im Mindestlohngesetz zu verankern und damit als Richtschnur für die Mindestlohnkommission vorzugeben.
„Vor allem aber ist der gesetzliche Mindestlohn nur die untere Grenze des Erträglichen. Besser wäre es, wenn mehr Unternehmen tarifgebunden wären. Denn nur Tarifverträge sichern den Beschäftigten einen gerechten Lohn für ihre Arbeitsleistung“, betont Caspar. Und Tarifverträge regeln nicht nur die Entlohnung, sie dienen auch dazu, maßgeblich die  Arbeitsbedingungen mitzugestalten.

Außerdem muss der Gesetzgeber die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen erleichtern. Das bedeutet, dass ein Branchentarifvertrag für alle Betriebe einer Branche gilt, auch wenn die Betriebe keinen Tarifvertrag abgeschlossen haben. Bisher haben fachfremde Arbeitgeberverbände die Möglichkeit, bei einer Einigung im Tarifausschuss über die Allgemeinverbindlichkeit eines Branchentarifvertrages ein Veto einzulegen und damit die Allgemeinverbindlichkeit zu verhindern. „Dieses Vetorecht muss der Gesetzgeber endlich ausschließen“, fordert Caspar.

Zum Hintergrund: Mitte 2019 mussten im Saarland rund 8.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ergänzende Sozialleistungen in Anspruch nehmen, obwohl 1.900 von ihnen sogar Vollzeit gearbeitet haben. Um nach 45 Arbeitsjahren bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden nur mit der gesetzlichen Nettorente eine Altersversorgung oberhalb des Grundsicherungsniveaus zu erreichen, wäre laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2018 rechnerisch ein Stundenlohn von 12,63 Euro erforderlich gewesen.

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