Betriebsrat Hager Electro GmbH & Co.KG, Blieskastel
Mitbestimmung ist, nicht nur zuschauen, sondern auch große Hürden gemeinsam überwinden.
Meine Zeit – Mein Leben. Schichtarbeit menschengerecht gestalten
Ausgangslage
Bei Hager Electro in Blieskastel war das 15er-Schichtmodell in 3 Teams (Montag bis Nacht. Spät, Früh) üblich. An den Wochenenden wurde auf freiwilliger Basis gearbeitet, wobei einige Beschäftigte bereits an ihre Belastungsgrenze kamen.
Auftragssteigerungen um ca. 30 % brachten den Arbeitgeber im Dezember 2019 zu dem Entschluss, die kompletten Produktions- und Supportbereiche innerhalb sechs Monate in ein verpflichtendes 21-Schichtmodell zu heben.
Zu Beginn war es nur ein Gedankenspiel gegenüber dem Betriebsrat ohne konkrete Absichtserklärung und Zeitschiene. Wenige Wochen später wurde es dann ernst und der Arbeitgeber wollte sein Gedankenspiel ohne ernsthafte Beratung mit dem Betriebsrat unmittelbar umsetzen.
Wie ist das Gremium vorgegangen?
Ein Wechsel von 15- auf 21-Schichten ist nicht nur ein technischer Vorgang, sondern ein enormer Einschnitt in den Privatbereich der Beschäftigten. Sie müssen zukünftig verpflichtend am Wochenende arbeiten und auch unter der Woche den Schlafrhythmus anpassen, ggf. regelmäßige Termine verschieben und Abstriche im Vereins- und weiterem Sozialleben hinnehmen.
Die Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Arbeitszeit ist zwar stark ausgeprägt, jedoch würde eine Haltung der Interessenvertretung, dass das 15-Schicht-System unberührt bestehen bleibt, nicht überdauern. Spätestens bei einer Einigungsstelle bekäme der Arbeitgeber aufgrund der wirtschaftlichen Erfordernisse die Zustimmung, die Anzahl der Schichten zu erhöhen.
Wenn Verhindern keine realistische Option ist, ist Gestaltung der richtige Weg.
Die Betriebsratsmitglieder, gut unterstützt von IG Metall und Info-Institut suchten und gestalteten praktikable Alternativen, die weniger Einschnitte für die Beschäftigten bedeuten. Insbesondere folgende Fragestellungen wurden dabei beachtet: Für welche Abteilung wird aufgrund des Auftragsvolumens welche Anzahl von Schichten dringend benötigt? Wie kann mit anderen Mitteln wie Beschäftigungsaufbau oder Umstrukturierung von mehr Schichten abgesehen werden? Wie können die Schichtmodelle an die Bedürfnisse der Beschäftigten angepasst werden.
In mehreren Versammlungen und Gesprächen wurden die Beschäftigten beteiligt.
Die folgenden Verhandlungen waren wenig konstruktiv, da der Arbeitgeber das Vorhaben nicht anpassen wollte und so wurde von der Arbeitgeberseite die Verhandlungen als gescheitert erklärt und die Einigungsstelle angerufen.
Eine Sitzung der Einigungsstelle wurde von den IG Metall Vertrauensleuten und weitere Beschäftigte durch eine kreative und lautstarke Protestaktion vor den Verhandlungsräumen begleitet.
Die Beschäftigten wurden regelmäßig über den aktuellen Stand informiert und der Betriebsrat stellte mit Abfragen sicher, wie geschlossen die Belegschaft hinter ihren Forderungen steht.
Ergebnis
Das mitbestimmte Ergebnis weicht stark von den ursprünglichen Plänen des Arbeitgebers ab und ist schlussendlich nicht nur menschengerechter, sondern auch wirtschaftlicher:
- Ein Teil der Beschäftigten / Abteilungen bleibt im bisherigen 15-Schichtmodell
- Ein kleiner Teil der Beschäftigten / Abteilungen arbeitet im 21-Schichtmodell, jedoch mit 5 statt 4 Teams, Mitbestimmung bei einem Teil der Schichten und Ausgleichstage für die Belastungen der Wechselschicht.
- Der überwiegende Teil der Beschäftigten arbeitet im 18-Schichtmodell, mit mehr freien Wochenenden, Mitbestimmung bei einem Teil der Schichten und Ausgleichstage für die Belastungen der Wechselschicht
- Investitionen am Standort
Jedes neue Zeitmodell mit mehr Schichten ist ein Einschnitt für die Beschäftigten. Nach den ersten 3 Monaten bekamen die Betriebsräte durchweg positive Rückmeldung, insbesondere hinsichtlich der Belastungen.