1. Ausgangssituation: Unglückliche Kommunikation und drohende Standortverlagerung

Die Situation begann mit einem Aushang des damaligen Geschäftsführers, in dem er eine eigentlich erfreuliche Nachricht überbrachte: Die Homanit-Gruppe habe entschieden, eine neue ContiRoll-Anlage mit einer Kapazität von 250.000 m³ jährlich zu erwerben. Zum Vergleich: Der Standort Losheim verfügte bis dahin über eine Kapazität von 190.000 m³. Doch die Art und Weise der Kommunikation löste sofort Unruhe und Unmut aus.

Denn der Aushang stellte zwei Varianten zur Debatte:

  • a) Die Anlage kommt als Ersatzinvestition nach Losheim,
  • b) oder sie wird zusätzlich an einem polnischen Standort installiert.

Die bevorzugte Lösung des Geschäftsführers war Losheim – allerdings knüpfte er dies an eine Bedingung: Es müsse eine „Beteiligung“ der Belegschaft geben, über die schnell mit dem Betriebsrat und der IG Metall gesprochen werden müsse.

Diese Formulierung wurde von der Belegschaft und dem Betriebsrat als Erpressung wahrgenommen. Die Kommunikation per Aushang ohne vorherige interne Abstimmung führte zur ersten Eskalation. Es folgten unprofessionell geführte Gespräche, von Misstrauen geprägt – auch, weil der Geschäftsführer mehrmals Zwischenstände direkt an die Belegschaft kommunizierte, ohne dass zuvor eine interne Abstimmung mit dem Betriebsrat stattgefunden hatte.

2. Maßnahmen: Klare Haltung, strategische Verweigerung und ein alternativer Verhandlungsweg

Im weiteren Verlauf der festgefahrenen Verhandlungen zog sich der Betriebsratsvorsitzende (BRV) aus den offiziellen Gesprächen mit dem Geschäftsführer zurück und erläuterte, dass die Belegschaft bereits durch einbehaltene 1,2 % aus dem Tarifergebnis Februar 2021 einen relevanten Beitrag zur Finanzierung geleistet hatte. Diese 1,2 % entsprachen rund 240.000 €, was auch vom Geschäftsführer bestätigt wurde. Hochgerechnet auf eine Abschreibungsdauer von 20 Jahren wären das 4,8 Mio. € – rein rechnerisch würde die Belegschaft damit einen Großteil der Investition von 55 Mio. € stemmen.

Ein konstruktiver Dialog war mit dem aktuellen Geschäftsführer aus Sicht des Betriebsrats nicht mehr möglich. Dennoch blieb der BRV offen für Gespräche – jedoch nur mit anderen, „klugen und fairen Köpfen“ im Unternehmen. Die Situation blieb angespannt, bis Guido Lesch, ein ehemaliger Gewerkschafter mit hohem Ansehen bei beiden Seiten, ins Spiel kam. Er überzeugte den Gesellschafter Fritz Homann, dass der Konflikt nur mit dem BRV gelöst werden könne – dieser habe durchgehend über 90 % Zustimmung in der Belegschaft und sei die zentrale Vertrauensperson im Betrieb.

Trotz Versuchen des Gesellschafters, den bisherigen Geschäftsführer an den Verhandlungstisch zu bringen, setzte sich der BRV durch: Es kam zu einem Treffen ohne den Geschäftsführer, dafür mit dem Gesellschafter, einem Holding-Vertreter, Dirk Eicke (neuer GF), sowie Markus Andler und Guido Lesch als Mediator. Das Treffen fand im Gästehaus der Dillinger Hütte statt – und brachte den Durchbruch.

3. Ergebnis: 55-Millionen-Investition gesichert und weiteres Vertrauen aufgebaut

In einer nächtlichen Verhandlung gegen Mitternacht gelang der Durchbruch: Statt der ursprünglich geforderten Zugeständnisse (z. B. Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld, fünf Jahre Nullrunden), wurde ein neuer Tarifabschluss vereinbart: 4 % Lohnerhöhung ab dem 1.4.2022 bei 30 Monaten Laufzeit.

Der bisherige Geschäftsführer wurde später aus dem Unternehmen entfernt. Dirk Eicke übernahm die Geschäftsführung in Losheim, und die Investitionen in die neue ContiRoll-Anlage wurden gestartet – am Standort Losheim. Der Einsatz des Betriebsrats hat sich ausgezahlt, auch wenn er mit hohem persönlichem Risiko und klarer Kante einherging.

Zusätzlich verhandelte der BRV im Nachgang zweimal eine Inflationsprämie von jeweils 1.500 € – das zweite Mal sogar in einem persönlichen Gespräch mit dem Gesellschafter, das während einer gemeinsamen Autofahrt organisiert wurde. Schließlich konnten gemeinsam mit IG Metall und Unternehmensseite weitere Tariferhöhungen (2,9 % ab 01.01.2025 und 3,9 % ab 01.01.2026) vereinbart werden – ohne Streiks oder öffentliche Auseinandersetzungen.

Der außergewöhnlich hohe Organisationsgrad von über 98 % in der IG Metall zeigt deutlich: Die Belegschaft steht geschlossen hinter ihrem Betriebsrat. Und der Erfolg zeigt, dass strategisches Denken, Rückgrat und klare Kommunikation auch in schwierigen Situationen zu beeindruckenden Ergebnissen führen können.

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