AK und DGB Saar zu Beschlüssen des Koalitionsausschusses: Es zeigt sich Licht und Schatten in den Beschlüssen – zudem erwarten AK und DGB weitere Nachbesserungen

Pressedienst vom

Die aktuellen Einigungen, die am Mittwoch im Koalitionsausschuss erzielt worden sind, gehen grundsätzlich aus Arbeitnehmersicht in die richtige Richtung. Allerdings helfen sie teilweise in der Lebensrealität vielen Betroffenen zu spät und werfen auch viele Fragen auf. Insbesondere  für besonders benachteiligte Personengruppen bringen sie leider an vielen Stellen nicht die erwarteten Verbesserungen – das ist die Bewertung der Arbeitskammer und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Saarland.

Arbeitskammer und DGB begrüßen zwar die grundsätzliche Bereitschaft zur Erhöhung des Kurzarbeitergeldes, die vor allem auch auf Druck der Gewerkschaften und des Bundesarbeitsministers eingeführt werden. Die zeitliche Staffelung sowie das Hin und Her zwischen Grundsicherung - Kurzarbeitergeld  - Grundsicherung in zeitlichen Stufen, erscheinen allerdings lebensfremd und werden außerdem zu einem erheblichen und unnötigen Bürokratieaufbau führen.  Durch die beschlossene Anhebung auf bis zu 80% bzw. 87% des pauschalierten Nettoentgelts werden Einkommensverluste von Arbeitnehmer*innen durch die Corona-Krise besser abgefedert. Damit nähert sich Deutschland den in vielen anderen europäischen Ländern geltenden Leistungshöhen für das Kurzarbeitergeld an – zumindest schrittweise.

Kritisch sieht der Vorstandsvorsitzende der Arbeitskammer Jörg Caspar die geplante Staffelung der Anhebung: „Die zeitlich gestaffelte Anhebung ist für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein echtes Problem. Denn das neue Kurzarbeitergeld steigt erst ab dem vierten beziehungsweise ab dem siebten Monat. Das ist sehr spät. Wir befürchten, dass die Zahl der von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch steigen wird. Wer im Sommer in Kurzarbeit muss, bekommt erst im kommenden Jahr den Höchstsatz. Unterschiede zwischen den Einkommen der Beschäftigten werden nicht berücksichtigt. Dadurch werden vor allem diejenigen mit niedrigen Einkommen, deren Bedarf an Unterstützung am höchsten ist, erst sehr spät und noch immer nicht ausreichend unterstützt.“

Die Staffelung und die damit verbundenen Auswirkungen für Arbeitnehmer*innen sieht auch Eugen Roth, stellvertretender DGB-Vorsitzender Rheinland-Pfalz / Saarland, sehr kritisch: „Wir erwarten hier im Sinne der Beschäftigten Nachbesserungen, bevor es zu spät ist. Während die Arbeitgeber durch das Kurzarbeiterpaket und auch die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge sehr stark entlastet werden, müssen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterhin starke finanzielle Einbußen hinnehmen. Das kann so nicht bleiben. Hier erwarten wir mehr.“

Ebenfalls nicht verbessert wird durch die Änderungen die Situation der Minijobber*innen, die von der Krise besonders hart betroffen sind. Die Arbeitskammer hatte auf deren Situation bereits mehrfach aufmerksam gemacht und auf eine Lösung gedrängt. Minijobber*innen sind nicht pflichtversichert in der Arbeitslosenversicherung und es gibt für sie keine Möglichkeit, Kurzarbeitergeld von der Agentur für Arbeit zu erhalten.

Ähnlich sieht es auch bei den neu geregelten Hinzuverdienstmöglichkeiten aus. Durch die Anhebung des zusätzlich zu verdienenden Einkommens bis auf die volle Höhe des bisherigen Monatseinkommens können Arbeitnehmer*innen in Kurzarbeit , Einkommensverluste besser ausgleichen. Eugen Roth sagt dazu: „Auch hier gibt es ein großes ‚aber‘: Die Regelung ist grundsätzlich gut, geht aber an der Realität ein gutes Stück vorbei. Nebenjobs gibt es aktuell praktisch nicht. Es wird kaum eingestellt.“

Für einen Teil der Arbeitslosen gibt es Verbesserungen: Die Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld nach SGB III ist ein wichtiger Schritt, damit sie während der Krise und den derzeit schlechten Arbeitsmarktchancen nicht in die Grundsicherung abrutschen. „Die bisherige zeitliche Beschränkung der Leistungen nach dem SGB III auf ein Jahr ist ohnehin kritisch zu sehen. Die Verlängerung der Bezugsdauer ist daher ein Schritt in die richtige Richtung, der auch nach der Krise unbedingt beibehalten werden sollte“, so der AK-Vorstandsvorsitzende Jörg Caspar. Er bedauert allerdings: „Für die besonders prekäre Situation derer, die Grundsicherung beziehen müssen, gibt es überhaupt keine Verbesserung.“ Hier verweist die AK auf ihre Presseerklärung vom 26.03.2020, in der sie eine Aufstockung der Grundsicherungsleistungen um 100 Euro pro Monat fordert, um die erhöhten Belastungen gerade der Ärmsten in der Krise abzufedern.

Kritik gibt es auch bei den Maßnahmen für Schulen bzw. Schülerinnen und Schüler: „Die jetzt vom Bund beschlossene Unterstützung beim digitalen Unterricht zu Hause ist gut gemeint, reicht aber nicht aus“, so Jörg Caspar. Die Arbeitskammer bezweifelt, ob der gewünschte Erfolg angesichts eines Zuschusses von 150 Euro überhaupt eintritt, da Familien für die Anschaffung eines Endgerätes noch einen erheblichen Eigenanteil aufbringen müssen. Die Arbeitskammer schlägt stattdessen vor, die Schulbuchausleihe um eine Geräteausleihe zu erweitern und damit die Schülerinnen und Schüler mit digitalen Endgeräten auszustatten.

Grundlegender Aufmerksamkeit bedarf der letzte Punkt der Beschlüsse, in dem die Koalition beteuert, dass „Belastungen für Beschäftigte und Unternehmen durch Gesetze und andere Regelungen möglichst zu vermeiden“ [sind]. „Neben den wichtigen kurzfristigen Stützungsmaßnahmen müssen wir auch die Probleme im Blick behalten, die bereits vor der Pandemie durch die digitale und ökologische Transformation und vernachlässigte öffentliche Daseinsvorsorge bestanden. Während die Arbeitgeberverbände mit der Kritik an der Aufstockung des Kurzarbeitergeldes gleichzeitig einen Rückzug des Sozialstaates propagieren und bereits jetzt die Kürzungsdebatten wegen steigender Staatsverschuldung begonnen werden, muss umso mehr darauf geachtet werden, dass dieser Passus nicht für eine Deregulierung in wichtigen Bereichen des Schutzes von Beschäftigten und der Umwelt genutzt wird“, sagt Caspar, der Vorstandsvorsitzende der AK. Und Eugen Roth ergänzt abschließend: „Bereits vorgenommene Einschnitte in die Arbeitnehmerechte, wie die Ausweitung des Arbeitszeitgesetz auf 12 Stunden, werden wir im Blick behalten und werden auf eine schnellstmögliche Rückkehr zu der ursprünglichen Regelung pochen.“

zurück zurück